Unterwegs mit Baby

Wenn die Eltern in einer Familie mehrere Sprachen verwenden, so ergibt sich daraus die wunderbare Möglichkeit die eigenen Kinder mehrsprachig großzuziehen. Zwetelina Ortega von linguamulti gibt uns interessante Einblicke. 

Wie lernt das Kind eine Sprache?

Grundsätzlich gilt – sprechen Sie mit Ihrem Kind in der Sprache, die Sie am besten können, in Ihrer Erstsprache. Ein verbreiteter Zugang dabei ist der „Eine Person eine Sprache“. Dabei verwenden die Eltern ihre jeweilige Erstsprache mit dem Kind.

Um den ersten Geburtstag herum sprechen die meisten Kinder ihr erstes Wort. Danach geht es stetig weiter mit der selbständigen Sprachproduktion. Im Laufe des dritten und vierten Lebensjahres entwickeln sich die Sprachen immer intensiver. Das Kind versucht Sätze zu bilden, ist neugierig auf die Sprache und liebt es, sich selbst sprechen zu hören.

In dieser Zeit lernt das Kind viel über grammatikalische Regeln in all seinen Sprachen und ist bemüht, diese anzuwenden. Wenn wir von einer Zweisprachigkeit des Kindes ausgehen, so heißt dies, dass das Kind zwei Sprachsysteme aufbaut. Diese zwei Sprachen sind zwar voneinander unabhängige Systeme, sie tauschen sich, aber auch in der kindlichen bilingualen Entwicklung miteinander aus.

Durch zahlreiche empirische Studien zeigt die Mehrsprachigkeitsforschung, dass kindliche Zwei- und Mehrsprachigkeit als einen interagierenden Verbund mehrerer Sprachen betrachtet und auch unter dieser Maßgabe in seiner Entwicklung unterstützt werden sollte.

 

Wie können Eltern, die Entwicklung aller Sprachen ihres Kindes im familiären Alltag unterstützen?

Ausdauer

Eltern sollten konsequent bei der Sprache bleiben, die sie für die Kommunikation mit ihm gewählt haben, auch wenn es bereits ganze Sätze in beiden Sprachen spricht. Kleinkinder lernen in diesem Alter sehr schnell. Ebenso schnell können sie aber auch erworbene Sprachen wieder vergessen. Für die kindliche Mehrsprachigkeit und Bilingualität heißt dies, dass Eltern mit der Sprachanwendung konsequent und kontinuierlich sein sollten.

Im Bewusstsein junger Kinder sind Sprachen besonders eng mit den emotionalen Bezugspersonen, mit denen sie sie sprechen, verknüpft. Das ist der Grund, warum Eltern so weit wie möglich bei einer Kommunikationssprache mit dem Kind bleiben sollten. Diese Herangehensweise gibt dem Kind Sicherheit und sorgt für gute altersgerechte Fortschritte in der ihrer Sprachentwicklung.

Keine Sorgen

Überfordere ich mein Kind mit mehreren Sprachen?, fragen sich manchmal Eltern. Die Antwort lautet – Nein. Kinder sind sehr gut in der Lage, zwei oder sogar mehr Sprachen gleichzeitig oder nacheinander zu erwerben, ohne dabei verwirrt zu sein. Ganz im Gegenteil, für ihre kognitive und emotionale Entwicklung ergeben sich daraus vielerlei Vorteile. Einige dieser Vorteile sind:

  • Sie entwickeln sich kognitiv besser und schneller.
  • Sie erlernen weiterer Sprachen leichter und effizienter.
  • Sie sind geistig flexibler.
  • Ihre mathematischen Kompetenzen entwickeln sich besser.
  • Sie zeigen bessere allgemeine kommunikative Kompetenzen.

Dabei ist nicht so wichtig mit wie vielen Sprachen das Kind aufwächst, sondern, dass dies in einem natürlichen Kontext geschieht, damit sich die jeweiligen Sprachen gut entfalten können.

Anerkennung

Ausschlaggebend für eine gute Zwei- oder Mehrsprachige Entwicklung ist auch, dass Eltern die nicht deutsche Familiensprache wertschätzen, beispielsweise diese auch im öffentlichen Raum verwenden. Diese Haltung zeigt dem Kind, dass all seine Sprachen wertvoll und gleichrangig sind. Wenn Eltern ihre Sprache nur innerhalb der vier Wände verwenden, signalisieren sie dem Kind, dass diese weniger wert ist, gesprochen zu werden. So können beim Kind Unwohlsein und Unsicherheit mit der Sprache entstehen. Das wirkt demotivierend.

Der Sprachinput

Damit das Kind beide Sprachen gut verinnerlichen kann, braucht es vielseitigen Sprachinput. Die Alltagsthemen erschöpfen sich bald und die Dinge, über die man miteinander spricht, fangen an sich zu wiederholen. Um ein abwechslungsreiches sprachliches Angebot bereitzustellen, erfordert es einiges an Kreativität seitens der Eltern. Was kann dabei hilfreich sein? – Zum Beispiel Dinge wie der Besuch von Spielgruppen, in denen die jeweilige Sprache gesprochen wird, und der Austausch mit anderen Familien, Verwandten und Freunden können für Abwechslung sorgen. Auch das Vorlesen von Kinderbüchern oder spannende Aktivitäten miteinander können Eltern nutzen, um neue Themen für Gespräche und Austausch mit dem Kind zu finden. 

Zusammenfassend können wir sagen, dass es von Vorteil ist, konsequent alle Sprachen in der Familie anzuwenden. Durch Freunde, Spielgruppen, mehrsprachige Einrichtungen und Personen, mit denen sich das Kind austauschen kann, können Eltern neue abwechslungsreiche Sprachsituationen schaffen. Dabei ist auch wichtig, die eigene Sprache wertzuschätzen.

Zwetelina Ortega ist Sprachwissenschafterin, Autorin, Expertin für Mehrsprachigkeit und Gründerin des Beratungszentrums Linguamulti. Dort bietet sie Beratung und Workshops für mehrsprachige Erziehung für Eltern und Pädagog*innen. Sie ist Gründerin der LIMU-Academy, des Sprachinstituts zur Frühförderung der deutschen Sprache für Kinder zwischen zwei und zehn Jahren. Ortega ist dreisprachig mit Bulgarisch, Spanisch und Deutsch aufgewachsen. In diesen drei Sprachen verfasst sie auch ihre literarischen Texte: 2022 Kinderbuch "Die Umami Bande", Amiguitos Verlag; 2012 Gedichtband "Aз und tú", Edition Yara, eigener Blog im Standard. Sie leitet Aus- und Fortbildungen unter anderem an diversen Pädagogischen Hochschulen in Österreich und Deutschland und lehrte an der Universität Wien.

 

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