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Schon bald nach der Geburt geht es oft los. Wenn das Baby der Verwandtschaft präsentiert wird, kommen oft ganz ungefragt die ersten Ratschläge zum Thema Geschwisterchen: „das Kind nicht alleine lassen“, „nicht aus der Übung kommen“, „du willst doch kein verzogenes, egoistisches Einzelkind, oder?“. Mag. Maria Asenbaum, Psychotherapeutin, gibt uns Einblicke in die entwicklungspsychologische Sicht auf dieses Thema.

 
Aber brauchen Kinder Geschwister, um sich zu sozialen Wesen zu entwickeln? Was ist dran am Mythos „egoistische Einzelkinder“? Oder haben Einzelkinder vielleicht sogar Vorteile, weil sie Mamas und Papas ungeteilte Aufmerksamkeit genießen?
 

Zuerst muss aus entwicklungspsychologischen Gesichtspunkten festgehalten werden, dass es Faktoren gibt, die neben der genetischen Ausstattung, tatsächlich einen Einfluss auf die soziale und kognitive Entwicklung von Kindern zu haben. Das sind vor allem die Bindungssicherheit zwischen Eltern und Kind, der sozioökonomische Status der Familie und auch, dass das Kind sicher und ohne schwere traumatische Erfahrungen aufwächst.

Das arme Einzelkind! - Wie es dazu kam

Viele der Vorurteile, die sich gegenüber Einzelkindern so hartnäckig halten, entstammen ursprünglich aus der Nachkriegszeit, als ein ganz anderes Familienmodell als heute die Regel darstellte. Damals war in einer „normalen“ Familie eine Kinderanzahl von drei, vier und mehr als Ideal angesehen. Frauen, die nur ein Kind bekamen, hatten ihre Männer oft frühzeitig verloren oder waren von anderen Schicksalsschlägen betroffen. Die Familien waren meist in einer schlechten wirtschaftlichen und sozialen Lage. So gesehen hatten die Einzelkinder aus dieser Zeit tatsächlich Nachteile, die sich negativ auf die Entwicklung auswirkten.

Heute, nach dem bekannten „Pillenknick“ in der Geburtenrate, ist ein anderes Familienmodell in den Vordergrund gerückt. Frauen können entscheiden, wie viele Kinder sie bekommen möchten und dabei spielen auch Karriere und Selbstverwirklichung zurecht eine wichtige Rolle.

 

Ein Viertel der Familien in Österreich bekommen heute ein Kind, ungefähr die Hälfte zwei (das neue „Ideal“) und ein weiteres Viertel drei oder mehr Kinder.

 

Weniger Kinderreichtum ist also das „neue Normal“ geworden. Vom sozioökonomischen Status her kommen Einzelkinder heute häufig aus wohlhabenderen AkademikerInnenfamilien, aber auch ein nicht unerheblicher Teil lebt in Ein-Eltern-Haushalten.

Ein weiterer wichtiger Unterschied zwischen den Lebensbedingungen von Kindern früher und heute ist auch die Betreuungssituation und die Freizeitgestaltung. Waren Kinder früher neben der begrenzten Zeit in der Schule vor allem im Familienverband zusammen, sind heute Krippen, Tagesmütter, Kindergärten und später Nachmittagsbetreuung und -Kurse eher die Regel als die Ausnahmen. Auch Einzelkinder haben also ausreichend die Möglichkeit mit anderen Kindern zusammen zu spielen und zu lernen, was ebenfalls ein unverzichtbarer Faktor für die gesunde und „artgerechte“ Entwicklung von Kindern - vor allem ab dem 5. Lebensjahr - darstellt.

Aber sind Einzelkinder nun schlauer? Geschwisterkinder sozialer?

Inwiefern entwickeln sich also heute Kinder mit Geschwistern in sozialer oder kognitiver Hinsicht anders als solche ohne? Einige bekannte Studien sind dieser Frage nachgegangen. Schon vorweg, es gibt keine statistisch signifikanten Unterschiede zwischen der Intelligenz oder den sozialen Fähigkeiten, wenn man in großangelegten Studien Einzelkindern mit Geschwisterkindern vergleicht. Einige Tendenzen konnten ausgemacht werden.

So scheint die Eltern-Kind Bindung etwas stärker zu sein bei Einzelkindern und auch deren Fähigkeiten im Bereich der kreativen Intelligenz scheint etwas höher ausgeprägt. Kinder mit Geschwisterkindern haben demgegenüber oft tendenziell höhere Werte in sozialer Verträglichkeit und im Konfliktmanagement.

 

Den einzig signifikanten Unterschied in der Intelligenz konnte man bei Erstgeborenen Geschwistern gegenüber allen anderen, auch Einzelkindern, nachweisen.

 

Dieser Vorsprung wird über den sogenannten „Tutoren-Effekt“ erklärt. Erstgeborenen fällt häufig die Aufgabe zu jüngeren Geschwistern etwas zu zeigen oder zu vermitteln. Das scheint die Intelligenzleistung tatsächlich zu fördern. Wobei auch mitbedacht werden sollte, dass „Intelligenz“ über standardisierte Tests gemessen wird und das oft nicht unserer Alltagserfahrungen mit intelligentem Verhalten von Kindern entspricht. Augenscheinlich wirken jüngere Geschwister oft schneller in ihrer Entwicklung. Da ist aber meist viel Nachahmungsverhalten dabei und darauf kann in den Testsituationen nicht zurückgegriffen werden.

 

Wie sieht es mit der Empathiefähigkeit aus?

Die häufig gestellte Frage nach der möglicherweise weniger ausgeprägten Empathie-Fähigkeit von Einzelkindern ist weniger einfach zu beantworten. In den Bereichen der Empathie, die Tests messen können, geht es vor allem um den kognitiven Anteil der Empathie, z. B. in den Tests zur Theory of Mind - also Tests, ob das Kind eine andere Perspektive, einen anderen Blickwinkel verstehen kann. Da schneiden Einzelkinder nicht schlechter ab als Geschwisterkinder. Die emotionalen Anteile vom Empathie-Geschehen, das Mitspüren, das Mitgefühl, sind nicht einfach durch Punkte in einem Test abbildbar. Aber Beobachtungen zeigen, dass es da weniger darauf ankommt ob Kinder biologische Geschwister haben, als darauf, dass sie ausreichend Kontakt zu anderen Kindern haben und dass sie Erwachsene um sich haben, die ihnen das Mitfühlen und das Verbalisieren von Gefühlen vorleben.

 

Eine sichere Bindung zu den Eltern, eine liebevolle Atmosphäre in der Familie und eine Grundhaltung von „alle Gefühle sind ok und dürfen sein“, sowohl bei den großen als auch bei den kleinen Familienmitgliedern, sind bei emotionaler Entwicklung von Kindern viel entscheidender, als die Anzahl der Familienmitglieder.


Aber ein paar Unterschiede gibt es doch

Auch wenn es entwicklungspsychologisch keine Nachteile hat keine Geschwister zu haben, gibt es doch einige ganz besondere Erfahrungen, die nur Geschwister machen dürfen, die sie sicherlich prägen:

  • die Erfahrung gemeinsame Eltern zu haben, als Kinder und dann auch wenn die Eltern alt werden.
  • Geschwisterbeziehungen sind in der Regel die längsten Beziehungen des Lebens.
  • Geschwister sind oft vertrauter und verbundener miteinander als enge Freunde. Das wirkt sich oft die Beziehung- und Bindungsfähigkeit im späteren Leben aus.
  • Geschwister erleben oft eine spezielle Form von körperlicher Nähe, sich körperlich messen, rangeln, etc., die Einzelkindern fehlen kann (außer sie wachsen mit anderen Kindern ähnlich eng auf)
  • Geschwister können sich streiten, können eifersüchtig sein oder kämpfen und sich trotzdem nicht „trennen“. Das kann Konfliktlöse-Kompetenzen stärken.

Geschwister zu haben kann wunderbar sein und ganz spezielle Entwicklungsmöglichkeiten eröffnen. Einzelkinder können ganz wunderbare, enge Freundschaften mit Gleichaltrigen aufbauen und dabei ähnlich prägende Erfahrungen machen. Es kann aber auch ganz anders kommen. Die Kinderanzahl ist kein Garant für gute soziale und emotionale Entwicklung. Es ist das Klima, das wir Erwachsenen schaffen, indem wir uns den Kindern gegenüber bindungs- und bedürfnisorientiert verhalten, welches die Entwicklungsmöglichkeiten eröffnet. Und um verlässliche, liebevolle Bindungspartner zu sein, brauchen wir Großen einen Lebensentwurf und ein Familienmodell, in dem wir und wohl fühlen das zu uns passt, egal ob mit einem oder fünf Kindern, als Alleinerzieherin oder im Patchwork.

Hier geht es zum Interview mit Maria (ab Minute 8 geht es los):

 

Hier geht es zu den anderen Artikeln unseres Geschwisterspecials: 

Du bekommst ein Geschwisterchen!

So hilfst du  jungen Kindern bei Konflikten

Wenn Geschwister streiten

Wie werde ich meinen Kindern gerecht?

 

Mag. Maria Asenbaum

Maria Asenbaum ist Psychologin und Systemische Familientherapeutin. Sie unterrichtet Entwicklungspsychologie der ersten 6 Lebensjahre am Bildungsinstitut "Jobs mit Herz" und arbeitet als Psychotherapeutin im "Fondavo - Zentrum für Gesundheit und Entwicklung", dort bietet sie Einzel-, Paar- und Familientherapie, sowie Mama-Baby-Beratung an. Mehr unter www.psychotherapie-asenbaum.at.

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